Viele Therapien, die für dementiell erkrankte Menschen verordnet werden, enthalten bereits Maßnahmen, die zur Stärkung des Gedächtnisses beitragen bzw. den Gedächtnisverlust spürbar verlangsamen. Doch jede noch so gut gemeinte Übung ist wertlos, wenn sie dem Fortschreiten der Erkrankung nicht Rechnung trägt.
Wenn das Kurzzeitgedächtnis eines Patienten oder Verwandten bereits stark nachgelassen hat, kann „Gedächtnistraining” auch nach hinten losgehen, wenn man die falschen Übungen zur Hand nimmt. So können Fragen, die auf aktuellen Geschehnisse referenzieren, unangenehmen Druck ausüben und schlussendlich in Frustration und Enttäuschung münden.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. empfiehlt deshalb zum Thema Gedächtnistraining für Menschen mit Demenz Folgendes: „Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Übungen den Betroffenen Spaß machen und dass sie Erfolgserlebnisse haben. Deshalb ist es unterstützender, wenn die Erinnerungen aktivieren werden, die im Langzeitgedächtnis abgelegt sind – außerdem stärkt es das Selbstwertgefühl des Angehörigen.”
Übungen zum Gedächtnistraining können also nur dann Früchte tragen, wenn geeigneten Techniken angewandt werden – auch immer mit Blick auf die aktuelle Situation und die Biografie der betroffenen Menschen. Denn mit einem effektiven Training lässt sich nachweislich die Konzentrationsfähigkeit erheblich verbessern und der Gedächtnisverlust spürbar verlangsamen. Demenz heilen kann Gedächtnistraining jedoch nicht.
Doch wenn Gedächtnistraining bei Demenz nicht zur Heilung führt, was sind dann die Ziele?
Was sind die Ziele von Gedächtnistraining?
Ein wichtiges Ziel beim Gedächtnistraining für Menschen mit Demenz ist der Erhalt der kognitiven Fähigkeiten. Wenn man sie auch nur geringfügig und in einzelnen Bereichen verbessern kann, so ist es dennoch sinnvoll, etwas für den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten zu tun.
Selbstverständlich tragen die Übungen des Gedächtnistrainings auch immer zu einer Aktivierung des Gehirns im Allgemeinen bei. Der Übergang zwischen Aktivierung und Gedächtnistraining ist daher fließend. Letztlich kann Gedächtnistraining aber auch zur inneren Stabilität des Menschen mit Demenz beitragen.
Die Forschung ist sich einig: eine höhere Gehirnaktivität steigert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit eines jeden Menschen – und das hat viel mit dem Aufbau unseren Gehirns zu tun.
Wie ist das Gehirn aufgebaut?
Das Gehirn wird grob in drei Bereiche unterteilt:
Stammhirn: Dem Stammhirn obliegt die Steuerung der Lebensfunktionen wie Atmung, Kreislauf, Schlaf- Wach Rhythmus.
Kleinhirn: Das Kleinhirn ist zuständig für den Bewegungsapparat und das Gleichgewicht, die Motorik sowie die Fähigkeit zu lernen.
Großhirn: Das Großhirn steuert Verhalten, Gefühle, Denken, Bewusstsein und das Gedächtnis. Es ist in zwei Hälften unterteilt. Die linke Gehirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Durch Nervenfasern sind die Gehirnhälften miteinander verbunden, unterscheiden sich aber in ihrer Funktion. In der linken Hälfte liegt das Zentrum für die Sprache und für Zahlen, in der rechten findet z.B. das räumliche Denken statt.
Es gibt viele verschiedene Gedächtnisfunktionen, die vereinfacht in drei Bereiche unterteilt werden: den Sensorischen Speicher, das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Die Aufnahme von Informationen gestaltet sich dabei als ein aktiver Prozess, bei dem die Informationen nicht nur gespeichert, sondern mit bereits bekannten Inhalten verknüpft werden.
Was ist der Sensorische Speicher?
Ohne die Filterarbeit oder Vorselektion des sensorischen Speichers könnten wir Lärm, Lichter und Leute in einer Großstadt wohl kaum ertragen. Sie hilft uns, unwichtige Reize auszublenden, damit wir uns überhaupt auf etwas „konzentrieren” können.
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Über die Sinnesorgane werden viele verschiedene Reize aufgenommen. Im Sensorischen Speicher werden die Reize für kurze Zeit (max. 2 Sekunden) gespeichert. Die Eindrücke werden erst später im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet.
Nur die Reize, die wir als wichtig einstufen, werden weitergeleitet. Dazu zählen z.B. Situationen, in denen wir uns in Gefahr befinden. Diese Selektion dient dazu, die unwichtigen Reize auszublenden, damit wir nicht „überflutet“ werden von Bildern, Gerüchen und Geräuschen.
Salopp gesagt: Ohne diese Selektion wäre es für uns z.B. kaum machbar, die Einkaufspassage einer kleinen oder mittelgroßen Stadt zu passieren, ohne dabei Schaden zu nehmen.
Was genau passiert im Kurzzeitgedächtnis?
Wichtige Informationen werden also in das Kurzzeitgedächtnis weitergeleitet. Dort werden die Informationen verschlüsselt und verankert, d.h. an bereits vorhandene Informationen geknüpft. Das Kurzzeitgedächtnis wird deshalb auch Arbeitsgedächtnis genannt, da hier eine bewusste Verarbeitung der Informationen stattfindet.
Da das Kurzzeitgedächtnis sehr störanfällig ist, können Informationen verloren gehen, wenn wir z.B. zu wenig Konzentration aufbringen und abgelenkt werden. Nach etwa einer halben Minute gelangen die verschlüsselten Informationen erst in unser Langzeitgedächtnis.
Was passiert im Langzeitgedächtnis?
Im Langzeitgedächtnis werden die Informationen dann dauerhaft gespeichert. Dies dauert bis zu 20 Minuten. Wird der Speicherprozess unterbrochen, können die Informationen nur oberflächlich gespeichert und somit nicht gut behalten werden.
Beim Abrufen der Informationen müssen die verschlüsselten Informationen erst wieder entschlüsselt werden. Die Information werden nach einer Art Ordnungsprinzip angelegt, damit sie möglichst leicht abrufbar sind.
Was genau verändert sich mit zunehmendem Alter?
Im Alter verändert sich oftmals die Sinneswahrnehmung, da einige Sinnesorgane, z.B. Augen oder Ohren nicht mehr so funktionsfähig sind, wie sie es einmal waren. So kann nicht mehr die gleiche Menge an Reizen aufgenommen werden.
Außerdem lassen sich ältere Menschen schneller durch Störungen von außen – z.B. Lärm – ablenken. Im Alter verändert sich auch das Lernen. Dabei ist aber wichtig zu betonen, dass die Fähigkeit zu lernen sich nicht automatisch verschlechtert im Alter: sie verändert sich nur.
Experten unterscheiden diesbezüglich zwischen einer „fluiden“ und einer „kristallinen“ Funktion.
Fluid: Mit „fluid” bezeichnen Gerontologen die Erkenntnis, dass die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung im Alter abnimmt.
Kristallin: „Kristallin” meint hingegen, dass die Fähigkeit, Probleme zu lösen – auch unter dem Einsatz des vorhandenen Wissens – i.d.R. bestehen bleibt und noch mehr: sogar gesteigert werden kann.
Fazit
Durch die längere Lebensdauer entsteht also ein reichhaltiges Erfahrungswissen, das im Alter weiterhin ergänzt wird. Die Urteilsfähigkeit und die Menschenkenntnis verbessern sich in der Regel mit zunehmendem Alter und die Fähigkeit zu lernen bleibt bis ins hohe Alter erhalten. Wer also Gedächtnistraining für Menschen mit Demenz vorbereitet, sollte sich immer an der kognitiven Situation der Beteiligten orientieren, denn für ein erfolgreiches Gedächtnistraining braucht es Erfolgserlebnisse.
Die kognitiven Übungen dürfen also weder zu schwer sein, noch unterfordern. Dann kann Gedächtnistraining Menschen mit Demenz auch Spaß machen und zu ihrer emotionalen Stabilität beitragen.