Die absolute Zahl von Verkehrsunfällen ab der Altersgruppe 45–55 sinkt kontinuierlich – so die Aussage des statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2017. Entgegen den Erwartungen bauen ältere Menschen also grundsätzlich weniger Unfälle als jüngere Autofahrer. Dennoch fühlen sich viele Familienmitglieder und Bekannte von Senioren zunehmend unsicher, wenn sie als Beifahrer Zeuge von Fahrfehlern und Beinahe-Unfällen werden. Die Ursache für die Schusseligkeiten, die verheerende Folgen mit sich bringen können, ist in einigen Fällen eine Demenzerkrankung. Wie die Auswirkungen beim Autofahren mit Demenz konkret aussehen, wann Betroffene das Autofahren aufgeben müssen und was Angehörige tun können, um beim Verzicht zu unterstützen, erfahren Sie hier.
Nicht nur beim älteren Teil der Bevölkerung hat das Auto einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Doch gerade Senioren fühlen sich oft darauf angewiesen: Während es die jüngere Generation in die Städte zieht, bleiben ältere Menschen häufig in ihren Dörfern wohnen oder ziehen aufgrund der niedrigeren Immobilienpreise zurück aufs Land. Doch Bekannte, Ärzte oder der nächste Supermarkt können sie oftmals aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu Fuß erreichen.
Die Folge: Das Auto spielt im Leben von Senioren häufig eine zentrale Rolle. Zudem bindet auch das Freiheits- und Unabhängigkeitsgefühl, das viele Menschen beim Autofahren verspüren, ans Steuer. Doch besonders für Demenzpatienten ist Autofahren alles andere als ungefährlich, beeinflusst die Krankheit doch die Fahrtauglichkeit enorm.
Auswirkungen einer Demenz auf das Autofahren
Im Anfangsstadium der meisten Demenzformen müssen Betroffene nicht grundsätzlich auf das Autofahren verzichten. Aber Demenz ist natürlich nicht gleich Demenz. Es gibt sie in vielen Formen – und zwei von ihnen bringen bereits im Anfangsstadium eine starke Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit mit sich: Für die frontotemporale Demenzen sind früh einsetzende Veränderungen der Persönlichkeit und der Affektkontrolle charakteristisch, während die Lewy-Body-Demenz schon im frühen Stadium visuelle Halluzinationen auslöst.
Spätestens ab dem mittleren Demenzstadium ist eine Fahreignung dann nicht mehr gegeben.
Die konkreten Auswirkung einer Demenzerkrankung auf das Fahrverhalten lassen sich in drei Kategorien einteilen: in kognitive, körperliche und sensorische Einschränkungen.
Kognitive Einschränkungen äußern sich durch eine beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit und eine herabgesetzte Aufmerksamkeit. Die Tagesschläfrigkeit steigt, Reaktionen verlangsamen sich, da das Urteilsvermögen und damit die Entscheidungsfindung deutlich beeinträchtigt ist. Beim Autofahren kann insbesondere die Abnahme der räumlichen Orientierung verheerende Folgen haben.
Demenzpatienten haben zudem oft mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen. So kann ein Schulterblick, das Bedienen des Schalthebels und das Durchdrücken der Pedale eine echtes Problem darstellen.
Auch Sehen und Hören – kurz: die sensorisch ausgelösten Eindrücke – können durch eine Demenzerkrankung stark beeinträchtigt werden. Der Sehbereich verengt sich, wodurch Fahrten bei Dämmerung oder der Dunkelheit besonders schwierig werden. Doch auch bei starkem Lichteinfall kann eine erhöhte Blendempfindlichkeit das Sehen erschweren. Der zunehmende Hörverlust lässt Betroffene möglicherweise wichtige Warnsignale überhören.
Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund einer Demenz
Die Ehefrau eines Demenzpatienten fasst die Aussage eines Arztes zusammen, von dem sie sich erhoffte, dass er ihren Mann vom Autofahren abbringen würde:
Damit hat der Arzt grundsätzlich Recht. Es gilt die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung):
§ 2 Eingeschränkte Zulassung
Kurz gesagt: Jeder Verkehrsteilnehmer ist selbst dafür verantwortlich, dass er sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann. In Deutschland ist die Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Auto aber natürlich der Besitz einer Fahrerlaubnis. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Fahrerlaubnisamt diese entziehen.
Auch eine Demenzerkrankung kann Anlass für den Entzug der Fahrerlaubnis bieten. Dazu muss sie sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden und zu schwerwiegenden Persönlichkeitsveränderungen geführt haben. Die Symptome einer Demenzerkrankung können ebenso gut altersbedingte Auswirkungen darstellen, weshalb ein Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie die Symptome eindeutig der Demenzerkrankung zuordnen können muss.
Da es in Deutschland keine obligatorischen Tests gibt, welche die Fahrtauglichkeit überprüfen, kann ein Entzug der Fahrerlaubnis nur auf einen externen Hinweis folgen.
Das können Angehörige tun
Zunächst sollten Angehörige die Betroffenen natürlich über die Auswirkungen einer Demenzerkrankung auf das Fahrverhalten aufklären. Orientierung dafür bietet der erste Absatz dieses Blogartikels.
In diesem Zuge können Angehörige auch auf Alternativen verweisen, durch die die Mobilität erhalten bleiben kann. Beispielsweise können Betroffene auf Fahrdienste und -gemeinschaften, das Rad oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Falls möglich, können sich Angehörige auch als Chauffeur anbieten. So müssen Betroffene nicht auf Mobilität und Flexibilität verzichten.
Wenn der Betroffene trotzdem noch auf das selbstständige Autofahren besteht, ist der Hausarzt eine gute externe Anlaufstelle. Natürlich obliegen Ärzte grundsätzlich der Schweigepflicht. Liegt allerdings die Vermutung auf Selbst- oder Fremdgefährdung vor, kann dieses Gebot gebrochen und der Betroffene an das Fahrerlaubnisamt gemeldet werden, das dann die weiteren Schritte einleitet.
Maßnahmen, wie den Schlüssel zu verstecken, das Auto außerhalb der Sichtweite zu parken oder komplett stillzulegen, sorgen bei Betroffenen oft für Verwirrung und können sogar zu einem verminderten Selbstvertrauen führen. Angehörige sollten deshalb weitestgehend darauf verzichten. Temporär eingesetzt können aber auch diese Mittel verheerende Folgen verhindern.
Quellen
Inhalt
Ott, B. R. & Daiello, L. (2010): How does dementia affect driving in older patients? Ageing health, S. 6.
O. A.: Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2017, in: Destatis, online unter:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2018/Verkehrsunfaelle-2017/pressebroschuere-unfallentwicklung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 03.03.2020).
O. A.: Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) § 2 Eingeschränkte Zulassung, in: Gesetze im Internet, online unter: https://www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/__2.html (Stand: 03.03.2020).
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