Im Umgang mit dementen Menschen kommt es immer wieder zu Kommunikationsproblemen, die teils gravierende Konflikte zur Folge haben. Um diese zu vermeiden, ist es wichtig, sich in die Situation des Gegenübers versetzen zu können. Die Methode der „Validation” gilt hier als vielversprechender Ansatz und hat das Potenzial, den Pflegealltag deutlich zu erleichtern.
Wer regelmäßig – ganz gleich ob beruflich oder privat – mit der Pflege von Alzheimer- oder Demenzkranken zu tun hat, weiß, wie schwierig es ist, ein harmonisches und konfliktfreies Umfeld zu schaffen und zu erhalten. Je nach Erkrankungsstadium leben demente Personen in einem ständigen Schwebezustand zwischen Erinnern und Vergessen, in dem das frühere Leben mit festen Abläufen und einem geregelten Alltag immer wieder impulsartig aufblitzt.
Das verursacht: Irritation. Ein Betroffener bekommt plötzlich das Gefühl, eine Aufgabe nicht erledigt zu haben oder in diesem Moment an einem bestimmten Ort sein zu müssen, ohne den Grund dafür reflektieren zu können. Aus Frustration darüber entsteht eine emotionale Reaktion, die nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für die Angehörigen (und Pflegenden) belastend sein kann.
„Man kann nicht nicht kommunizieren”
In diesem Kontext lohnt es, einen der bekanntesten Kommunikationspsychologen zu zitieren: „Man kann nicht nicht kommunizieren”, lehrte schon Paul Watzlawick († 31. März 2007), dessen 5 Axiome (sozusagen: Grundregeln der Kommunikation) immer noch zum Standardrepertoir der Kommunikationswissenschaften gehören.
Denn selbst schweigen, sei schließlich eine Art von passiver Kommunikation, die das Gegenüber so oder so interpretiert. Alzheimer- oder Demenzkranke sind da keine Ausnahme. Daher versuchen die Techniken der Validation einer kniffligen Frage auf die Spur zu kommen: Wie kommunizieren wir mit Menschen, deren „Logik” wir nicht (mehr) nachvollziehen können?
Validation: Unerledigte Aufgaben bewältigen
Die Methode der Validation wurde zuerst von der US-amerikanische Gerontologin und Sozialarbeiterin Naomi Feil entwickelt. Sie legte den Fokus auf unerledigte Aufgaben und wollte den Menschen bei dieser Aufarbeitung helfen. Ihren eigenen Aussagen zufolge erzielt ihre Methode der Validation erhebliche Wirkungen:
„Durch Validation fühlen sich die Patienten sicherer. Menschen fangen wieder an zu sprechen. Die Augen beginnen wieder zu leuchten. Menschen, die nicht sprechen können, fangen an zu singen. Andere können plötzlich wieder laufen, obwohl sie das längst verlernt haben. Es werden weniger Medikamente ausgegeben. Und so kehren sich die Menschen nicht nach Innen. Sie werden keine lebenden Toten, sondern sie kommunizieren, solange bis sie von uns gehen.”
(Naomi Feil in einem Interview von 2012. Quelle: YouTube.com)
Die Gedanken sind „ver-rückt”
Dazu zwei Beispiele aus der Praxis, wie sie im Fachmagazin Curaviva beschrieben wurden: Ein Patient möchte im Winter in den Garten zum Beerenpflücken. Ein anderer Patient verkriecht sich jedesmal hinter dem Bett, wenn der Speisewagen vorbei rollt. Als klar denkender Mensch spürt man in solchen Fällen sofort den Impuls, den Erkrankten auf die „Sinnlosigkeit” dieser Reaktion hinzuweisen. Die Methode der Validation empfiehlt hier allerdings ein komplett anderes Vorgehen:
Die Methoden der Validation verlangen, Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit ernst zu nehmen, unabhängig davon, wie „realitätsfern” ihr Ansinnen auch sein mag. Quelle: unsplash.com
Es geht nämlich nicht darum, den Menschen wieder ins Hier und Jetzt „zurückzuholen”, sondern ihn in seiner Lebenswirklichkeit ernst zu nehmen. Manchmal genügt schon ein Spaziergang in den Garten: Im oben genannten Beispiel bemerkte der Patient selbst, nachdem er in den Garten begleitet wurde, dass es zu kalt für Beeren war und man lieber wieder ins Haus zurückginge.
Das zweite Beispiel betrifft die biografische Vergangenheit des Pflegebedürftigen: Der Speisewagen schien dieselbe Angst hervorzurufen, die der Patient als Vierjähriger empfand, als Panzer durch die Straßen seiner Heimat rollten. Sicher ein „krasses” Beispiel, aber es illustriert deutlich, wie wichtig Empathie im Umgang mit dementiell Erkrankten ist.
Andere Lebenswelten begleiten
Validation basiert in erster Linie auf Empathie und einer ganzheitlichen Erfassung der individuellen Lebenswelt eines Menschen. Angehörige und Pflegende sollen möglichst einen Zugang dessen „Welt” finden und ihm darin mit maximaler Wertschätzung begegnen. Denn Validation hat zum Ziel, das Verhalten von Alzheimer- oder Demenzkranken als für sie gültig zu akzeptieren – das meint validieren auch wörtlich.
Die physiologischen Veränderungen, die bei Patienten im Gehirn stattfinden, haben zur Folge, dass wir sie anders verstehen lernen müssen: z.B. streben viele Menschen mit der Diagnose Demenz vom Typus Alzheimer danach, noch unerledigte Aufgaben zu erledigen. Wenn verbale Fähigkeiten langsam nachlassen, treten oft früh erlernte Bewegungen an deren Stelle, um sich überhaupt noch erklären zu können. Gerüche, Klänge, Farben, Ereignisse, Bilder oder Geschmäcker können alte Erinnerungen – und damit auch starke Emotionen – aus der Vergangenheit zurückholen.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass Angehörige und Pflegende die Lebenswelt alter Menschen akzeptieren, z.B. wenn Demenzkranke jemanden sehen oder hören, den andere nicht wahrnehmen – als Teil ihrer individuellen Realität. Und dass sie anerkennen, dass Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückkommen als „erlebte” Realität.
Dabei gilt es drei Grundsätze zu beachten:
- Nicht widersprechen: Es geht nicht um Realität, sondern um Akzeptanz.
- Verständnis zeigen: Mit Empathie auf den Patienten eingehen.
- Die Person ernst nehmen und das Selbstwertgefühl steigern.
Aktueller Forschungsstand
Darauf aufbauend entwickelte die Forscherin Naomi Feil eine besondere Kommunikationsform, die eine akzeptierende, aber keine korrigierende Sprache kennt. Nach Feil gilt es, die Bedürfnisse zu verstehen, indem man sie zu spiegeln versucht. Ihre Forschungsergebnisse wurden von der deutschen Psychogerontologin, Nicole Richard, weiterentwickelt. So entstand im Rahmen einer bundesweiten Arbeitsgruppe die Methode der Integrativen Validation (IVA).
Bei Richard bzw. ihrer Methode steht weniger die Bewältigung „unerledigter Aufgaben” im Vordergrund. Die Techniken der IVA konzentrieren sich darauf, Patienten in ihrem aktuellen Sein und ihrer Befindlichkeit „abzuholen”. Betroffene Menschen werden ruhiger, wenn sie sich verstanden fühlen – so der Grundgedanke.
Beide Ansätze respektieren aber die hirnorganischen Veränderungen und die daraus resultieren Verhaltensweisen. Validation will demnach auch gar nicht heilen, sondern lediglich entlasten. Sie stellt keine Therapieform dar und erhebt auch keinen Anspruch darauf. Und selbst wenn repräsentative Wirksamkeitsstudien fehlen, empfehlen sowohl renommierte Wissenschaftler als auch das Bundesministerium für Gesundheit das „Validieren“ bei demenziell veränderten Menschen anzuwenden.
Die wichtigsten Umgangs- und Kommunikationsformen bei dementiell Erkrankten auf einen Blick
Mittels der Validations-Techniken bieten Angehörige und Pflegende den Alzheimer- oder Demenzkranken die Möglichkeit, sich verbal oder nonverbal auszudrücken. In der einschlägigen Literatur werden besonders die Kernelemente der Technik sowie Handlungsanweisungen zur gelungenen Kommunikation besprochen. Diese Empfehlungen folgen der grundsätzlichen Überlegung, dass ein Mindestmaß an Mitgefühl neues Vertrauen schafft, Ängste reduziert und die persönliche Würde fördert.
Kernelemente der Validation
- Jeder Mensch wird als Individuum wahrgenommen.
- Jede Person wird wertgeschätzt und geachtet.
- Es gibt einen Grund für das dementielle Verhalten (auch wenn wir ihn noch nicht kennen).
- Das Verhalten ist eine Folge der Veränderungen des Gehirns. Manchmal braucht es dafür ein biografieorientiertes Verständnis des Verhaltens.
- Wenn das Kurzzeitgedächtnis nachlässt, greifen Menschen auf alte Erinnerungen zurück, um ihre Welt neu zu ordnen.
- Das Verhalten der Menschen wird nicht beurteilt und wird nicht versucht, sie zu ändern.
- Die Gefühle der Personen werden geteilt, ohne sich über die Wahrheit der Tatsachen Gedanken zu machen.
- Das gilt besonders bei schmerzlichen Gefühle. Diese werden intensiviert, wenn sie ignoriert werden.
Formen der Kommunikation
- Blickkontakt suchen und die Menschen von vorne ansprechen.
- In kurzen, klaren Sätzen sprechen – mit Ruhe in der Stimme und Verständnis.
- Niemals widersprechen.
- Eindeutige W-Fragen stellen: Wer? Was? Wie? Wo? Wann?
- Die Frage Warum? ist Tabu (Sowie überhaupt Fragen nach der Logik).
- Sich Zeit nehmen und wirklich zuhören.
- Auch nonverbale Kommunikation, etwa Gestik, Mimik, verwenden
- Störfaktoren (z.B. Geräuschquellen, Radio, TV) vermeiden.
- Niemals Lügen.